Talk to me - Oral Exam

Englisch-Lehrerein Kristine Zwanzig vor einer Großbritanien-Fahne©MBJS

Englisch ist Weltsprache. Ohne sie geht bald nichts mehr. Weder im Alltag noch in der Ausbildung noch im Beruf. Kristine Zwanzig, Lehrkraft und Fachkonferenzleiterin für Englisch an der Grundschule „Europaschule am Fließ“ in Schildow im Mühlenbecker Land, ist das seit Jahren klar. Und so ist sie ständig auf der Suche nach neuen Ansätzen, neuen Herausforderungen um die Sprache ihren Schülern und Schülerinnen nahezubringen.

Als sie 2021 im Rahmen des Fremdsprachentages Berlin/Brandenburg bei einer Fortbildungsveranstaltung auf das Lehrmaterial „Talk to me – Mündliche Prüfungen (Oral Exam) in der Sekundarstufe I, 5/6“ (Schöningh Verlag) – ein mündliches Prüfungsformat im Englischunterricht für Grundschulen stößt, ist sie sofort begeistert und beschließt mit ihren Kollegen in der Fachkonferenz Englisch das Format Oral Exam in den Lehrplan aufzunehmen.

Kindern Wissen beizubringen, war Kristine Zwanzig stets ein wichtiges Anliegen. Und so wurde sie 2002, nach ihrem Englischstudium an der FU Berlin, Lehrerin zuerst in Berlin und mit Beginn des Schuljahres 2016/2017 in Brandenburg. Seit 2019 unterrichtet die heute 48-jährige ihre Schüler und Schülerinnen nicht nur in Englisch, sondern auch in Deutsch und Naturwissenschaften. Ein Schritt, den sie nie bereut hat, obwohl sich an den Schulen und im Lehramt seit ihrem Studium Einiges verändert hat. Nicht immer zum Guten.

Kristine Zwanzig: „Die Lehrkräfte werden aus unterschiedlichen Gründen mehr und mehr gefordert. Und die Kinder wissen heute beispielsweise oft nicht mehr, wie sie mit der deutschen Sprache umgehen sollen, verwässern sie immer wieder oder mischen englische Vokabeln in ihrem Wortschatz, ohne groß nachzudenken, was die Worte tatsächlich bedeuten. Nehmen wir zum Beispiel das Handy, ein gern benutzter Begriff für das Mobiltelefon, der aber in der englischen Sprache eine ganz andere Bedeutung hat: handlich. Immer beliebter bei den Kindern wird es auch, deutsche Wörter englisch klingen zu lassen.“

Alles gute Gründe, um gemeinsam mit ihrer Kollegin Simone Siegel ein vorläufiges Konzept für das mündliche Prüfungsform „Oral Exam“ zu erarbeiten. Anschließend wendete sie sich mit einem Schreiben an die Eltern: „Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass mündliche Leistungen im Englischunterricht immer bedeutender werden und in Klasse 10 eine mündliche Prüfung verpflichtend durchgeführt werden muss, möchten wir Ihre Kinder frühzeitig an dieses Prüfungsformat heranführen. Daher wird die Klassenarbeit Nummer 2 im Fach Englisch in der Klassenstufe 6 durch eine mündliche Prüfung ersetzt. Besonders für Lernende, die mit schriftlichen Aufgaben Schwierigkeiten haben, bedeutet diese Art der Prüfung eine Chance, ihr Können zu zeigen und ihre Leistungen zu verbessern.“

Der Prüfungsverlauf bei „Oral Exam“ sieht wie folgt aus:

  • Wie bei einer Klassenarbeit werden die Schüler im Unterricht intensiv auf die Prüfungsaufgaben vorbereitet.
  • Die Kinder werden als Zweier-Team (Tandem Partner) geprüft, damit sie bereits während der gesamten Übungsphase zusammenarbeiten können. Wer mit wem geprüft wird, entscheidet die Englischlehrkraft zu Beginn der Vorbereitungszeit.
  • Der zeitliche Umfang der mündlichen Prüfung wird zirka 12 Minuten pro Paar betragen. Die Prüflinge dürfen dabei keine schriftlichen Notizen mit in die Prüfung nehmen. Die Prüfung selbst wird von der unterrichtenden Englischlehrkraft der Schülerinnen und Schüler abgenommen.

Die Prüfung findet in der zweiten Woche nach den Herbstferien am Vormittag statt und besteht aus drei Teilen:

  • Monologischer Teil (1-minute-presentation), Thema: London sights
  • Dialogischer Teil, Thema: Trip to England
  • Dialogischer Teil, Thema: Asking for the way

In Teil 2 und 3, „Dialogisches Sprechen mit Interaktion“, müssen sich die Tandempartner in einer authentischen Situation zurechtfinden. In Teil 2 unterhalten sie sich über ihre Klassenfahrt nach Brighton und erhalten dafür Question cards als Inputhilfen. In Teil 3 haben sie die Aufgabe, sich in Newfield mit Hilfe eines Stadtplans nach einer vorgegebenen Straße, einem Platz oder dem Rathaus zu erkundigen. Den Weg dorthin erfragen sie im Wechsel bei ihrem Partner.

Mit dem „Oral Exam“ wird das Ziel verfolgt, die kommunikative Kompetenz unter Anwendung der korrekten grammatischen Strukturen zu fördern. In einem situativen Kontext werden authentische Gespräche geführt.

Bewertet wird nach einem Punkteraster:

  • Aussprache/Intonation
  • Wortschatz und Strukturen
  • Kommunikative Wirksamkeit, Nutzung von Strategien & Interaktionen
  • Aufgabenerfüllung/Inhalt.

Kristine Zwanzig: „Oral Exam mit dem im Lehrmaterial ‚Talk to me’ festgelegten Thema ‚London sights’ hat bis jetzt zwei Mal stattgefunden. Es beinhaltet nicht nur ein für die Grundschulen neues Prüfungsformat. Es bietet den Englischlernenden vor allem die Chance, ihre kommunikative Kompetenz abzubilden. Der Schwerpunkt liegt hier eindeutig auf dem Mündlichen, wohingegen die Klassenarbeiten die drei Teilbereiche Reading, Listening und Writing prüfen. Die Resonanz der Schülerinnen und Schüler war bereits im ersten Durchlauf ausschließlich positiv. Trotz intensiver Vorbereitungsphase hatten sie Spaß am Lernen und Freude an dem neuen Prüfungsformat. Die anfängliche Skepsis der Eltern wich, nachdem die Kinder im Allgemeinen mit sehr großem Erfolg teilgenommen hatten, obwohl die Prüflinge am Prüfungstag sehr nervös und angespannt waren. Hinterher sah man ihnen die Erleichterung jedoch förmlich an. Alle waren stolz auf ihre Leistungen und verließen mit einem breiten Grinsen im Gesicht den Prüfungsraum. Dass natürlich auch wir als Englischlehrkräfte uns über den Erfolg freuen, steht außer Frage. Wir waren uns schnell einig darin, an dem Prüfungsformat festzuhalten. Es hat uns auch Mut gemacht, das vorläufige Konzept neu zu denken und festzuschreiben. Eine unserer Ideen ist es, dass Thema zu ändern. Wir denken beispielsweise daran, ‚London sights’ durch ‚Food’ zu ersetzen. Mit ein Grund dafür ist die Tatsache, dass die Schülerinnen und Schüler das Material ‚Talk to me‘ an die jüngeren Kinder weitergeben könnten, die dann nicht mehr so viel lernen müssten.“

Trotz des positiven Feedbacks ist Englisch nicht unbedingt das Lieblingsfach der Grundschüler. Kristine Zwanzig erklärt: „Sport steht immer noch an erster Stelle. Deshalb nimmt unsere Schule mit seinen rund 460 Schülerinnen und Schülern auch an ‚The Big Challenge‘, einem europaweiten Englischwettbewerb für alle Kinder der 3. bis zur 9. Klasse teil. Aufgrund unseres Europa-Profils kommen unsere Schülerinnen und Schüler bereits ab der ersten Klasse mit Englisch in Berührung.“

In Bezug auf ihren Deutschunterricht setzt sie ebenfalls darauf, das Niveau hoch zu halten, etwas das ihrer Meinung dort mehr und mehr nachlässt: „Es mangelt nicht nur an der Allgemeinbildung, zu der auch das Kulturelle gehört. Ich mache des Öfteren auch die Erfahrung, dass die Anstrengungsbereitschaft, die Konzentration und die Wissbegierde der Schülerinnen und Schüler nachlassen. Sie steigen schneller aus, sobald etwas schwieriger wird. So können sie zum Beispiel gut vorlesen, verstehen aber nicht immer, was sie da vortragen. Das Gleiche gilt für das Schreiben ganzer Texte.“ Woran das liegt? Ihre Antwort kommt schnell und präzise: „Am Smartphone und an Social Media.“ Wie kämpft sie dagegen? „Mit Literatur. Sie ist es, die verhindert, dass die deutsche Sprache verkümmert. Im Moment lese ich mit meiner 4. Klasse den Roman ‚Rico, Oscar und die Tieferschatten’ von Andreas Steinhöfel, weil hier nicht nur wichtige Themen wie Freundschaft, Verlustängste, Anderssein, Akzeptanz, Toleranz und Vielfalt der Gesellschaft behandelt werden. Neben dem anspruchsvollen Inhalt verwendet Steinhöfel auch Wörter, die in der Alltagssprache der Kinder so gut wie nicht mehr vorkommen. „Scharfe Schnitte“ zum Beispiel. Ein Synonym dafür zu finden, also mit der Sprache zu spielen, macht den Kindern wirklich Spaß. Da fallen dann Wörter wie sexy, cool, Sahnetörtchen, heiße Schnecke oder scharfe Tussi. Und manchmal ist auch ein Begriff dabei, bei dem ich dann so tue, als ob ich ihn nicht gehört habe.“

Jetzt sind Sie gefragt:
Haben Sie auch ein Projekt? Gibt es an Ihrer Schule etwas, dass beispielgebend für Kolleginnen und Kollegen ist? Sind sie in einer Sache an Ihrer Schule stark engagiert oder möchten Sie auf das Engagement anderer aufmerksam machen? Dann wenden Sie sich an unsere Autorin Dona Kujacinski: dona@donakujacinski.de. Die Journalistin stellt im Auftrag des MBJS „Projekte und Pioniere“ vor.


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