Praxislernen: Den Weg zum passenden Beruf finden

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Den richtigen Beruf zu finden, ist für viele Schülerinnen und Schüler nicht immer einfach. Manche schwanken zwischen zwei, drei Möglichkeiten, andere haben überhaupt keine Vorstellung davon, was sie einmal werden wollen. An der Oberschule „Alexander Puschkin“ in Neuruppin gibt es seit dem Schuljahr 2017/2018 dafür eine sinnvolle Lösung: das Praxislernen, kurz PXL genannt. Die Idee brachte Schulleiterin Anke Ketteritzsch von einem Schulbesuch in Angermünde mit und stellte das Konzept zeitnah ihren Kolleginnen und Kollegen sowie der Schulkonferenz vor. Ergebnis: Es wurde eine Umstellung der Schulorientierung beschlossen. Seitdem ist PXL in Neuruppin nicht mehr wegzudenken. Warum? PXL ist ein besonderer, praxisorientierter Unterrichtsansatz, der sich durch eine enge Verknüpfung des schulinternen Curriculums mit der Praxistätigkeit von Schülerinnen und Schülern in Betrieben oder Berufsbildungsstätten auszeichnet. Über individuelle Lernaufgaben aus verschiedenen Fächern werden so Unterrichtsinhalte mit Erfahrungen aus der Praxis verzahnt. Konkret bedeutet das unter anderem: An außerschulischen Lernorten werden die Jugendlichen nicht nur in Bezug auf ihre Berufswahl unterstützt, es werden auch ihre Lernmotivation erhöht, eigene Interessen und Stärken entdeckt und sie erhalten in der Schule darüber hinaus die Gelegenheit, ihren Bildungsinteressen zu folgen und ihren Lernprozess zu reflektieren.

Projektleiter Steffen Meyer (34) unterrichtet seit 2017 an der Oberschule „Alexander Puschkin“: „Es geht uns vor allem darum, den Schülerinnen und Schülern mehr Möglichkeiten in der beruflichen Orientierung zu geben, als nur ein zweiwöchiges Praktikum. Als ich an die Schule kam, übernahm ich die Rolle des Koordinators für berufliche Orientierung und begann mit der Konzeptentwicklung, der Unterrichtsvorbereitung und der Unternehmenssuche. Nach einiger Überzeugungsarbeit bei den Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Eltern und Unternehmen, startete das Praxislernen im Schuljahr 2017/2018 mit den ersten beiden Klassen der Klassenstufe 9.“ Die Eltern der Schülerinnen und Schüler standen, im Gegensatz zu ihren Kindern und den Unternehmen, dem Praxislernen anfangs besonders skeptisch gegenüber. „Sie hatten vor allem Bedenken“ erklärt Steffen Meyer „ob sich die Zeit im PXL und der damit verbundene Unterrichtsausfall negativ auf die weitere schulische Ausbildung ihrer Kinder auswirken könnte. Sie erkannten jedoch schnell die Vorteile, was auch damit zu tun hat, dass die Schülerinnen und Schüler durch PXL einen Lernvorsprung haben. Wenn sie in die Ausbildung gehen, können sie, wenn sie wollen, danach oft in ihren Betrieben bleiben. Oder sie nutzen ihren Betrieb, wenn sie im Fachabitur ein Praktikum benötigen.“

Dass das Praxislernen ein Erfolg ist, erkennt man auch an der hohen Motivation der Schülerinnen und Schüler, wenn sie einen Ausbildungsplatz gefunden haben, der sie interessiert. Viele von ihnen würden dann gern mehr als einen Tag in der Woche im Betrieb sein, obwohl es für einige am Anfang eine Herausforderung sein kann sich unter Erwachsenen zurechtzufinden. „Die Nervosität wird jedoch schnell abgelegt,“ führt Steffen Meyer weiter aus. „Wir stellen jedes Jahr fest, dass viele der Jugendlichen durch PXL leichter die passende Ausbildung finden oder Berufe ausschließen, die sie vorher im Kopf hatten. Außerdem stimmt es nach meiner Erfahrung nicht, dass sich junge Menschen nicht mehr ‚die Hände schmutzig machen wollen’, wie gelegentlich kolportiert wird. Unsere Schülerinnen und Schüler wählen im PXL genauso oft Handwerksberufe wie die Klassiker Kita oder Einzelhandel. Im Bereich KFZ oder Tischlerei gibt es so sogar mehr Anfragen, als wir bewältigen können. Unter den Schülerinnen und Schülern, die sich für PXL interessieren, gibt es auch einige Jugendliche mit Migrationshintergrund, die gut deutsch sprechen und sehr gute Leistungen erbringen. Aber es gibt es auch immer wieder Schülerinnen und Schüler, die kein Interesse zeigen, weil sie hoffen, eines Tages in ihre Heimat zurückzukehren.“

Mittlerweile haben sich die Vorteile und Erfolg des Praxislernens auch unter den Unternehmen herumgesprochen. „Anfangs“ erzählt Steffen Meyer „bin ich verstärkt auf die Betriebe zugegangen, um sie mit dem Konzept vertraut zu machen. Heute klopfen viele Unternehmen wegen einer Kooperation mit der Schule bei mir an, wobei für uns der Ruf des Unternehmens eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Damit sind nicht nur die Arbeit, sondern auch der Umgang mit den Jugendlichen gemeint, da das Persönliche in den Betrieben aus meiner Erfahrung eine immer größere Rolle spielt. Jemand der ins Team passt, wird vielleicht auch dann genommen, wenn die Noten nicht so stimmen.“ Ein Fall ist ihm bis heute in Erinnerung geblieben: Ein kleines Restaurant in Neuruppin litt, wie viele andere in dieser Branche, unter dem Fachkräftemangel. Ein zurückhaltender und schüchterner Schüler, der nicht so genau wusste was er werden will, war nach intensiver Beratung einverstanden, in dem Restaurant probeweise zu arbeiten und dann so begeistert, dass er dort das gesamte PXL absolvierte und sich am Ende der Schulzeit entschied, dort auch seine Kochausbildung zu machen. Ein großer Erfolg. Für den Schüler und den kleinen Betrieb.

Wie erfolgreich ist das Projekt? Steffen Meyer: „Anhand der jährlichen Evaluation lässt sich der Erfolg des PXL sehr gut bemessen. Über neunzig Prozent der Schülerinnen und Schüler, die das Projekt durchlaufen haben, hatten im letzten Schuljahr eine Ausbildungsstelle oder einen Fachabiturplatz sicher. Viele von ihnen machten ihre Ausbildung direkt im letzten Praxislernbetrieb oder nutzten beim Praktikum im Fachabitur ihren bekannten Betrieb. Die ursprüngliche Idee, dass durch das Praxislernen mehr Jugendliche eine genaue Vorstellung von ihrem weiteren Ausbildungsweg haben, ist damit erfüllt. In Zukunft wollen wir mit noch mehr Betrieben kooperieren, um die individuelle Gestaltung im PXL für die Schülerinnen und Schüler weiter auszubauen. Aktuell sind es über 100. Und wir wollen die Eltern stärker einbeziehen, zum Beispiel als Ausbildungsbotschafter. Kurz: Der Bezug zwischen schulischer Bildung und Beruf soll noch stärker in den Fokus gerückt werden, damit das Interesse der Jugendlichen noch stärker geweckt wird.“

Jetzt sind Sie gefragt:
Haben Sie auch ein Projekt? Gibt es an Ihrer Schule etwas, dass beispielgebend für Kolleginnen und Kollegen ist? Sind sie in einer Sache an Ihrer Schule stark engagiert oder möchten Sie auf das Engagement anderer aufmerksam machen? Dann wenden Sie sich an unsere Autorin Dona Kujacinski: dona@donakujacinski.de. Die Journalistin stellt im Auftrag des MBJS „Projekte und Pioniere“ vor.


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