Berufliche Orientierung im Ausland

Projekte und Pioniere_Berufliche Orientierung im Ausland©Comenius-Schule Oberschule Wünsdorf

Reisen bildet. Ein Statement, das stimmt. Reisen führt zu Begegnungen mit fremden Menschen, dem Kennenlernen anderer Sitten und Gebräuche, Dialekten oder Sprachen. All das trägt zu mehr Wissen, besserem Verständnis dem Unbekannten gegenüber oder gar einem noch unentdeckten Berufswunsch bei. An der Comenius Schule Wünsdorf, einer berufsorientierten Oberschule im Kreis Teltow Fläming, setzt man sich genau dafür ein: Schülerinnen und Schüler, vor allem denjenigen, die noch nie im Ausland waren, haben die Chance, nicht nur ins Ausland zu reisen, sondern dort auch ein Praktikum zu absolvieren. Möglich macht dies das EU-Förderprogramm Erasmus+, das es seit 2014 gibt.

Die Idee, ein Kurzzeitprojekt innerhalb von Erasmus+ an der Comenius Schule Wünsdorf zu realisieren, hatte Alexander Goldbeck-Löwe (39) im Jahr 2021. Der heutige Schulleiter ist Lehrer für Deutsch, Geschichte und LER. Die Unterstützung ließ nicht lange auf sich warten. Aleksandra Bielska (37, Englisch und DAZ) und Sabine Slodczyk (61, Chemie und Mathematik) sind von Anfang dabei.
Verena Staiger (60, Englisch, LER und Politische Bildung) kam 2022 ins Team. Aleksandra Bielska und Verena Staiger sind heute die Koordinatorinnen des Schul-Projekts.

„Als der erste Antrag Ende 2021 genehmigt war, besuchten einige Lehrkräfte zunächst Weiterbildungen in Methodik, Didaktik und KI oder Achtsamkeits- und Sprachkurse. Außerdem fand ein sogenanntes ‚Shadowing’ statt“, berichtet Verena Staiger, „ich war eine Woche in der Türkei und schaute mir den Unterricht in mehreren berufsorientierten Schulen an. Danach folgten die Auslandspraktika der Schülerinnen und Schüler.“ Momentan bewirbt sich die Schule bei Erasmus+ gerade für eine unbegrenzte Akkreditierung, für die sie ihre Ziele definieren muss. „Dazu gehören die Fortsetzung der Schülerpraktika, ein Austauschprogramm mit einer polnischen Partnerschule und die Lehrerweiterbildung zur Arbeit mit diversen Lerngruppen. Alle Projektmodule haben ein Ziel: Die Festigung europäischer Werte, Persönlichkeitsentwicklung und Herstellen von mehr Chancengleichheit von Schülerinnen und Schülern im ländlichen Raum.“

Das Interesse der Jugendlichen an den Schülerpraktika war von Anfang an sehr groß. Doch hatten einige zunächst Hemmungen, ohne ihre Eltern ins Ausland zu gehen. „Der erste Aufenthalt 2024 war ein Berufspraktikum für unsere Oberschüler. Zwei Gruppen von sechs und acht Schülerinnen und Schülern zwischen 15 und 17 Jahren fuhren in Begleitung einer Lehrkraft für 14 Tage nach Salurn in Südtirol“, erzählt Verena Staiger weiter: „Am ersten Tag lernten sie die Umgebung kennen und besuchten erstmals ‚ihre’ Betriebe, in denen sie ihr zweiwöchiges Betriebspraktikum absolvieren sollten.“ Jugendliche dürfen – wie auch in Deutschland – sechs Stunden pro Tag und fünf Tage pro Woche arbeiten. Zu den Branchen, in denen die Schülerinnen und Schüler Praktika machen können, zählen: Restauration (Küche, Gastraum), Hotel (Zimmer, Büro), Gärtnereien oder Weingüter. „Am Ende waren alle begeistert von dem, was sie erleben durften: Die Freundlichkeit der Menschen, die Schönheit Bozens und die unvergleichliche Landschaft.“

Im Juni 2025 fuhren erneut Jugendliche nach Salurn. Verena Staiger: „Auch sie genossen die Reise sehr. Die Unternehmen waren unterstützend und freundlich, die Praktika insgesamt interessant und lehrreich. Vor allem wurden unsere Ziele erreicht, sich in einer Fremdsprache auszudrücken, Lösungsmöglichkeiten zu finden, Selbstwirksamkeit zu erfahren und einer anderen Kultur zu begegnen. Und die Freizeitmöglichkeiten waren super: Erkundung der Gegend, Ausflüge nach Bozen und in die Berge plus eine angenehme Unterbringung.“ Die nächste Berufspraktikumszeit in Südtirol wurde aufgrund der positiven Resonanz gleich für den Herbst 2025 wieder angesetzt.

Das bestätigen auch teilnehmende Schülerinnen und Schüler. Leonie (16) und Justin (16) fassen zusammen: „Es war toll! Aber es gab auch mal Arbeit, bei der es zu Langeweile kam: zwei Tage Abspülen ist nicht so prickelnd. Da muss man lernen, mit dem Arbeitgeber zu verhandeln.“ Annalena (16) schildert ihre Eindrücke so: „Während meines zweiwöchigen Praktikums in der Jugendherberge ‚Haus Noldin‘ konnte ich Einblicke in den Arbeitsalltag im Bereich Unterkunft und Hauswirtschaft gewinnen. Besonders gut gefallen hat mir, dass ich mithelfen durfte und in den Alltag eingebunden war. Ich habe gelernt, wie wichtig Ordnung und Sauberkeit in einer Herberge sind, damit sich die Gäste wohlfühlen. Auch das Team war freundlich und hat mir bei Fragen weitergeholfen. Teilweise waren die Aufgaben eintönig. Ich hätte mir gewünscht, mehr Bereiche kennenzulernen, zum Beispiel die Rezeption oder die Arbeit mit den Gästen. Trotzdem war es interessant zu sehen, wie viel Arbeit hinter dem Betrieb einer Jugendherberge steckt.“

Gibt es ein Auswahlverfahren, welche Schülerinnen und Schüler mitgenommen werden? Verena Staiger: „Sie werden nach ihrem Engagement in der Schule ausgesucht. Das bedeutet, wer Einsatz und Zuverlässigkeit gezeigt hat, eignet sich in unseren Augen für den Aufenthalt. Aber natürlich müssen sich die Jugendlichen eine solche Reise auch zutrauen. Die wenigsten waren schon mal im Ausland und schon gar nicht ohne ihre Eltern.“ Wer ins Ausland reist sollte zumindest Englisch gut beherrschen. „Allein das Sprachenlernen ist kein Motiv für das Praktikum in Italien“, erklärt die Lehrerin, „voneinander zu lernen, ist hier das wichtige pädagogische Ziel.“

In der gemeinsamen Unterkunft stimmen sich die Schülerinnen und Schüler über ihre Aufgaben wie Einkaufen, Kochen oder Aufräumen ab und lernen sich aufeinander zu verlassen. Außerdem geht es in Südtirol um kulturelle Kontakte im Allgemeinen, um das Bewusstsein für Europas gemeinsame Werte, um Persönlichkeitsentwicklung und Chancengleichheit. „Abgesehen davon spricht nicht jeder Italiener in Südtirol Deutsch. Da müssen Englisch, das digitale Endgerät oder eine gute Kombinationsgabe herhalten“, so Verena Staiger weiter, „manche Schülerinnen und Schüler sind super in Englisch, andere fürchten sich davor. Für viele stellt die Überwindung von Sprachbarrieren eine kleine Herausforderung dar. Grundsätzlich sind viele vielleicht an Sprachen interessiert, aber manchmal fehlt der Sinn dafür, wie wichtig Sprachkenntnisse für ihre Zukunft werden könnten. Wichtig ist für uns, dass die Jugendlichen die Scheu vor anderen Sprachen verlieren.“ Ein tolles Ergebnis sei es, wenn Schülerinnen und Schüler durch einen Auslandsaufenthalt mehr Lust bekommen, Fremdsprachen zu lernen. „Deshalb hoffen wir, mit unserem Erasmus+ Projekt denjenigen, die zögern, einen Schubs in die richtige Richtung zu geben.“

Jetzt sind Sie gefragt:
Haben Sie auch ein Projekt? Gibt es an Ihrer Schule etwas, dass beispielgebend für Kolleginnen und Kollegen ist? Sind sie in einer Sache an Ihrer Schule stark engagiert oder möchten Sie auf das Engagement anderer aufmerksam machen? Dann wenden Sie sich an unsere Autorin Dona Kujacinski: dona@donakujacinski.de. Die Journalistin stellt im Auftrag des MBJS „Projekte und Pioniere“ vor.


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